Gestrandet

[…] „Sie kann ich nicht gebrauchen, ich brauche eine Frau, die arbeiten kann, aber keine Mutter von drei Kindern!“, empfing sie die Bäuerin und ging kopfschüttelnd und schimpfend in den Stall. „Sie glauben doch wohl nicht, dass ich gerne zu Ihnen gekommen bin!“, rief ihr Helga mit brüchiger Stimme nach. Aber beide hätten es schlechter treffen können mit der Einquartierung.

Ein kaltes Zimmer und das, was später der „Hungerwinter“ genannt werden würde. Wochen, in denen die Kinder die strohgefüllten Betten kaum verlassen konnten, während Helga, das „Seelchen“ ihrer Großmutter, das keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, „organisieren“ ging. Aber die Zeiten wurden auch wieder besser, der Winter verging und die Kinder verließen die Zimmer, ergossen sich in das Dorf und vermischten sich schließlich in der flirrenden Hitze des folgenden Sommers, als sie in dünnen Kleidchen barfuß durch die Gassen rannten, mit den einheimischen Kindern, die schneller als die Erwachsenen vergaßen, wer schon immer hier war und wer aus einer fernen, unvorstellbaren Gegend des zerfallenen Reiches gekommen und hier gestrandet war […]

[Vorstudien zum Romanprojekt „Es hieß, der Krieg sei vorbei“]